Anna Ley – TROISDORF
Malerei
10.07.2022-07.08.2022
Eröffnung: SA 09.07. // 18h
geöffnet MO-SO / 15h – 20h / Zutritt via Info-Point
„Wir sollten uns ernsthaft fragen, warum diese Orte so sind, wie wir sie vorfinden, also so -un, so -non. Warum die Resignation die schlussendlich einzig mögliche, ausweglose Antwort abbildet. Es gibt nämlich Gründe dafür, wenn auch nicht unbedingt gute, aber wohl handfeste. Troisdorf, Rhein-Sieg- Kreis, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, war, man ist versucht zu sagen natürlich, nicht immer so.“
Johannes Thies
Am 9.7. eröffnet mit „Troisdorf“ eine Ausstellung über Orte, die irgendwo zwischen Stadt und ländlicher Trivialität liegen, immer wieder versuchen, nicht ganz sind und nie ganz können. Anna Ley schafft ein komplexes Bild ihrer eigenen Herkunft zwischen Langeweile, Arbeit, Ödnis, Nostalgie und Resignation.
Die Vernissage ist am 9.7. um 18 Uhr im GOLD+BETON in der Ebertplatzpassage.
Anna Ley, geboren 1990 in Troisdorf, hat in Hamburg an der HFBK und der Universität Hamburg studiert. Die Künstlerin lebt und arbeitet ebenda.
www.annaley.de / @anna_ley
Grafik: @teamintim666
TROISDORF
Wir sollten uns ernsthaft fragen, warum diese Orte so sind, wie wir sie vorfinden, also so -un, so -non. Warum die Resignation die schlussendlich einzig mögliche, ausweglose Antwort abbildet.
Es gibt nämlich Gründe dafür, wenn auch nicht unbedingt gute, aber wohl handfeste. Troisdorf, Rhein-Sieg-Kreis, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, war, man ist versucht zu sagen natürlich, nicht immer so.
Wo jetzt der gleichnamige Mob vorherrscht, fand sich einst, vor Dampf und Öl, ein veritables Dorf.
Nicht, dass daraus in der Zwischenzeit eine Stadt geworden wäre – Troisdorf ist gleichermaßen sowohl als auch, am ehesten aber weder noch.
Euskirchen, so heißt es, sei keine Stadt, sondern ein Zustand.
Was ist mit den Städten, in denen man einfach so sein kann, und nicht tagein tagaus irgendwohin fahren muss, um jemand anderes zu sein.
Erst kam der Dampf, und dann das Öl. Und mit dem Öl das Automobil, und mit dem Automobil wuchs, wucherten Zustände wie Troisdorf von ein paar Hundert, auf Tausend, auf nun knapp 80 K.
Ohne den Personenkraftwagen gäbe es Zustände wie in Troisdorf wohl kaum, ohne den linear gefertigten Personenkraftwagen hätte die junge Erdölindustrie ihr – bis heute – alles überragendes Massenprodukt für Industrie und Konsum niemals gefunden. Troisdorf ist nicht zuletzt ein mediales Ding: Im Grunde schuf Johannes Gutenberg Henry Ford und damit die Fertigungsstraße und die standardisierte Kultur der Troisdorfer Fußgängerzone Ende Mai 2022.
Troisdorf war schön, bis die Fußgänger kamen, sagt mein Nachbar Jupp (82).
Wohl eine leicht zu vereinfachte Sicht der Dinge, die aber im Grund auf die systematische Trennung von Arbeiten und Wohnen abzielt, kontinuierlich und andauernd, die mit der massenhaften Automobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren unweigerlichen Verlauf nahm.
Troisdorf heute ist der fleischgewordene Speckgürtel, der Rand ohne Stadt, der suburban sprawl in Reinform, die 77.000-fache Entfremdung, eine Stadt im Schlafwandel.
Dabei ist Troisdorf im Grund nicht ganz verkehrt, man darf halt nur nicht von hier kommen, oder für immer hier bleiben.
Die Busse sind hybrid und voller Schmetterlinge, es hat mindestens so viele Eiscafés wie Tavernen, die Haustüren hängen voller Liebe und am Straßenrand parkt das Enkeltaxi. Troisdorf ist die perfekte deutsche Normalität, die an einem Dienstag Ende Mai ganz vernünftig dahin plätschert, die City-Fahrschule bildet gleich auf dem Sports Utility Vehicle aus, der aufgeblasene Dönermann winkt den Ultra-Nachwuchs zum Pommdöner
(Dönerbox) herein, ob irgendjemand darüber nachdenkt, wahrscheinlich ist es nicht anders als in Norderstedt, Fürstenfeldbruck oder Neu-Isenburg.
Im Grund ist jeder Ort im Kaufland gleich, alles dreht sich um Kälte und Wärme, Schall und Rauch. Das Komitee arbeitet von Troisdorf aus, das Elend der Flüchtlinge geht weiter, zu Meer oder zu Land, ob in Afrika, in Asien oder in Lateinamerika.
Im Grund wollen sie dann doch lieber in Troisdorf sein, seine Langeweile kosten, unterwegs mit den hybriden Bussen der RSVG, unterwegs zum Camp Spich/ Casino, später auf die City-Fahrschule, wochentags ins Kaufland und zum Saturn, Sonntags auch mal raus zu MK Theo oder ins Paradiso.
Niemand soll sagen, Troisdorf würde sich keine Mühe geben, eine Stadt zu sein.
Es gibt einen Platz der Menschenrechte, und keinen Platz für Gewalt an Frauen, es gibt ein Haus der Kunst und eine Cargo Bike Roadshow, Plätze zum Verweilen, sogenannte, Flowseekers, Elements of Taste, die Fun City am Stadtrand. Wahrscheinlich kann man hier gut leben, das Ordnungsamt ist präsent und ansprechbar, sie tun hier was, auch fürs Klima, so lokal wie international.
Nur wo es hinführt, kann niemand sagen, wenn es denn irgendwohin muss, vielleicht bleibt es auch einfach so wie es immer (?) war, auswuchernd und unbestimmt, ganz gut organisiert und in manchen Augenblicken sogar erträglich, city fit und all dies inklusivem freundlichem Service, essential Suburbia halt.
Johannes Thies